Samstag, 16. Juli 2016

Denken, erinnern und sagen

Wenn man die Erinnerung nach einem Phantom durchkämt, löst sich die Gegenwart in karge Kälte auf.
Das hast du gesagt, darauf kann ich mich berufen. Du hast gesagt, du magst mich und nicht meine Launen. Ich hab dir geglaubt. Hab dir wirklich geglaubt, als du mir in die Augen geschaut hast, und gesagt hast, du liebst sie nicht. Das hast du gesagt. Ich hab extra nachgefragt. Und jeden Tag denke ich zurück und denke: Was habe ich falsch gemacht? Im Grunde weiß ich das. Ich war zu jung, du zu bequem. Ich bin heute alt, du immer noch bequem, ich unbequem. Schon immer gewesen. Du wusstest, was du am mir (nicht) hast. Machen wir uns nichts vor, du hast vor allem die ganzen Jahre dich selbst belogen. Schlecht für dich, noch schlechter für mich.

Die wortkarge Antwort, ein Räuspern, der tiefe Blick nach unten, ohne den Kopf zu senken. Er hat neue Schuhe dachte ich, sein Bart ist ein Stück länger, er hat abgenommen. Mein Gesicht aufgequollen, blass wie eine Flunder. Du warst mal der einzige Mensch auf der Welt, dem ich wirklich trauen konnte. Was immer das auch heißen mag. Offenbar waren all die Jahre falsch. Ich weiß noch, wie ich mit 18 im Feld stand, wir beim Grillen mit deinen Freunden. Ich fühlte mich angekommen. Das ist es, dachte ich. Es sollten noch viele Jahre folgen.

Du bist betrunken, ich fahre uns im Kombi deines Vaters heim.
Wir sind im Museum und machen uns über Aktstatuen lustig
Du erklärst mir die Wahrscheinlichkeitsrechnung, ich dir Algebra.
Wir sind im Schwimmbad, ich lese Kafka, du die Juice.
Wir gehen einkaufen, ich hab Angst vor den Menschenmengen, wir streiten.
Urlaub in SPanien: "Ohne dich bin ich nur ein halber Mensch", hab ich gesagt.
Sushi Essen, Rum trinken, sich langweilen, CS zocken, Möbel aufbauen, Möbel abbauen, schlafen, aufwachen, Joggen, Schwimmen, Wegfahren, einfach losfahren, wachsen, lernen, traurig und glücklich sein. Ich will älter werden, damit ich dich nicht mehr kenne. Damit ich mich mehr kenne. Verkannt.
Letztlich bleiben die wesentlichen Dinge unbenannt. Das Gefühl ist längst nicht mehr greifbar. Ich habe Kopfschmerzen. Das Gefühl ist allgegenwärtig. Ein Mangel an mir selbst. Ich bin soo müde. Ich war noch nie in meinem Leben so müde wie in den letzten Tagen. Jetzt bist du für immer weg. Nicht ein Fetzen ist mir von dir geblieben. Nicht eine Freundschaft. Nicht ein Hallo, wie gehts? Bin ich ein Monster?

Ich hebe meinen Kopf auf, drehe ihn um und schütte all die schweren Gedanken heraus, wie ein Mülleimer
Ich trage ihn fort,
an einen anderen Ort,
da wo ich ihn neu befüllen kann,
mit Blumen, die sich ranken,
mit leeren Gefühlen,
und leichten Gedanken.

Ich bin dir keine Träne Wert.

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