Donnerstag, 10. Oktober 2013

Über die Psychostruktur von Mülleimern in Spanien




No Future Trash

 Eine schlaue süße Omi mit einem Vogelnest auf dem Kopf hat mir mal erzählt, dass man ein Land danach beurteilen kann, wie es seine Mülleimer behandelt. Ich mit meinem geringen Mülleimer-Horizont wollte der alten Dame natürlich nicht glauben. Bis es mir während meines Spanien-Urlaubes wie Schuppen von den Augen gefallen ist! Ich war so vereinnahmt von der Beschaffenheit und Aura dieser Entsorgungsbehälter, dass ich sofort ihr Verhalten studieren wollte. Hier ein paar Einblicke aus extrem trashiger Feldforschung...




Rebellische Mülleimer reagieren mit Hohn und Spott auf sachliche und konstruktive Zurechtweisungen vom engagierten Sozialarbeiter.


Die Psychostruktur dieser unscheinbaren Wesen scheint verhältnismäßig stark wetterbedingt, aber auch von französischen Rentnern beeinflusst zu werden, die Mittagsbuffet-Lunchboxen in sie hinein werfen. Nichtsdestotrotz entwickeln sie eine unsagbar starke Latenz gegenüber Bananenschalen, wenn sie in Zweisamkeit leben. Darüber hinaus habe ich auch die Vermutung, dass viele Exemplare an postnatalen Zwangsneurosen gegenüber Sand leiden. Gepaart mit einem Innenleben aus schwarzen Plastikbeuteln, die mit einer beträchtlichen und hochaggressiven Mischung aus Windeln und leeren Bierdosen gefüllt sind, entwickeln diese Wesen manchmal auch eine postmoderne Melancholie. Nun, wie mag sich ein Mülleimer in diesem Zustand wohl verhalten? Während der Homo Sapiens des 21. Jahrhunderts es vorzieht, schwarze Chucks zu tragen und böse zu gucken, hat ein Mülleimer bedauerlicherweise nicht so kreative Möglichkeiten der Affektregulierung. In Spanien haben die Mülleimer dennoch eine derart kreative Ausdrucksweise für ihre Gefühle entwickelt: Sie stülpen ihre Tüten nach außen, lassen  sie im Wind flattern und machen Raschelgeräusche. Wenn sie ein Passant anguckt, stülpen sie manchmal trotzig ihre Tüte in dessen Richtung, als ob sie sagen wollten: "Fuck the system!"




Trashcans fucking the system



 Ich selbst war Zeuge, als ein Tourist mit schwarzen Socken und Birkenstock-Sandalen Opfer einer solchen Abfalleimer-Attacke wurde. Arglos bohrte er in der Nase vor dem Touristenshop, in dem er sich gerade einen neuen Kühlschrankmagnet im Gaudí-Style gekauft hatte, als sich langsam, aber auf beunruhigende Weise, ein dunkles, techno-rhythmisches Raschelgeräusch hinter ihm aufbaute. Nach mehrmaligem Nasenhaare ziehen, drehte er sich dann doch um, um die Lärmquelle (Das Rascheln war zu einem verstörendem Rauschen geworden.) ausfindig zu machen. Noch bevor er sein Smartphone rausholen konnte, um sein Erlebnis mit einem peinlichen Selbstportrait auf Facebook zu posten, öffnete der entartete Mülleimer seinen Schlund und schluckte den Trash-Tourist mit einem Happen. Den Gaudí-Magnet spukte er aus. Von Zeit zu Zeit sind offenbar auch Mülleimer wählerisch. Als ich Tage später wieder den Ort des Geschehens entlangging, bemerkte ich, dass der tathafte Mülleimer am Straßenrand ein wenig dicker geworden war. Ich hörte auch ein leises Klingeln aus seinem "Bauch" - Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken.

Mülleimer sind in spanischen Urlaubsgebieten etablierte Lenker der organisierten Kriminalität.



 Die Eindrücke, die ich aus meinem Urlaub mit nach Hause nehme, haben meine Perspektive auf die menschliche Daseinsweise von Grund auf verändert. Müll hat nun eine neue Bedeutung für mich. Deswegen schreibe ich ihn. 



Monster Trashcan mit Touri-Fuß nach Tat


Monster Trashcan kann nach Touri-Konsum fliegen
     

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